Auf der Fortbildung Rhetorik und Auftritt haben die Teilnehmenden kurze Geschichten geschrieben. Das Motto war "als ich einmal Gott traf". Einige dieser Geschichten durfte ich einsammeln und veröffentlichen:
Als ich einmal Gott traf …
Könntet ihr diesen Satz fortsetzen? Ich könnte es nicht. Was heißt überhaupt „Gott treffen“? Muss ich mir das so vorstellen, dass ich gerade auf dem Heimweg bin und im Auto plötzlich Gott neben mir sitzt? Im Sinne von „Gott ist mein Kompass“ bzw. in der heutigen Zeit „mein Navi“? Oder treffe ich ihn in der Natur, wohlmöglich in der Gestalt eines Busches. Ob brennend oder nicht ist hierbei erstmal egal. Vielleicht sehe ich im Urlaub am Strand auf einmal eine zweite Fußspur im Sand. Würde ein anderer diese Fußspur auch sehen? Wie gesagt, ich weiß es nicht.
Als ich einmal Gott traf … Dieser Satz hat mich ganz schön zum Nachdenken gebracht. Wenn ich Gott treffen sollte, oder es bereits passiert ist, woher weiß ich, dass ich ihn getroffen habe? Durch was signalisiert mir Gott, dass er bei mir ist?
Als ich einmal Gott traf, habe ich es nicht gemerkt. Dies wäre eine mögliche Fortführung des Satzes. Er hinterlässt aber Ungewissheit, er ruft Zweifel hervor. Wenn ich es nicht gemerkt habe, hat Gott dann überhaupt etwas gemacht?
Als ich einmal Gott traf … Ich glaube, der Satz kann gar nicht fortgeführt werden. Er beruht nämlich auf einer Grundannahme, die schon nicht zu Gott passt. Das Wort „Treffen“ impliziert, dass die andere Person vorher nicht bei einem war. So denkt Gott aber nicht. So verhält Gott sich nicht. So ist Gott nicht. Er ist immer bei einem, egal an welchem Ort, egal zu welcher Zeit, egal in welcher Lebenslage. Deshalb muss Gott auch nicht signalisieren, dass er bei uns ist. Denn er ist immer da. Alles, was passiert, geschieht mit Gott. Er ist immer unter uns. Amen.
Tristan